Samstag, 30. Juni 2012

Scham


Schamgefühl kenne ich gut. Sehr gut sogar. Leider...
Das ist ein Thema, welches mich immer wieder besucht.
Vor einiger Zeit hatte ich eine Begegnung, die mich sehr an meine Grenzen gebracht hat.
(Vielleicht habe ich es in einem Nebensatz schon mal erwähnt.)
Das Treffen war sehr ungewöhnlich. Er ist Fotograf und hatte mich angeschrieben.
Nachdem klar war, dass ich an Fotos kein Interesse habe, haben wir geschrieben und gemerkt, dass es ganz gut passt.
Er hatte mich auf Bildern gesehen, ich wusste nicht viel von ihm.
Und so ging ich irgendwann in den vierten Stock eines Altbaus in der Nachbarstadt und klopfte wie verabredet und pünktlich an die Tür.
Eintreten, rumdrehen, Tasche fallen lassen...
Nach einem geflüsterten "Willkommen, Poesie!", verband er mir direkt die Augen und zog mich langsam aus
Die nächste Zeit hatte ich außer der Augenbinde nichts an meinem Körper.
Diese totale Nacktheit vor einem Fremden, "blindes" Vertrauen...
Und seine Blicke auf meinem Körper. Keine Chance etwas zu verstecken.
Aber was mich wirklich an den Rand des Erträglichen gebracht hat, das war, dass er mich nach etwa einer Stunde Session aufforderte ganz regungslos und still liegen zu bleiben, dann anfing im Nachbarzimmer zu kochen (das konnte ich hören), mich irgendwann auf die Beine zog und vorsichtig zum Tisch führte, mich breitbeinig auf einen Stuhl platzierte und mich fütterte.
Dieses Gefühl, mit meinem nicht perfekten Körper, ihm gegenüber zu sitzen, ihn noch immer nicht gesehn zu haben...was da in meinem Körper vor sich ging!
Herzklopfen, Atemnot...essen konnte ich kaum etwas, auch wenn er mir
ganz sanft immer wieder ein paar Bissen gab.
Scham!
Seine beruhigenden Worte, sein Streicheln...richtig ablegen konnte ich es nicht.

Und was mich auch sehr beeindruckt hat, dass einen vieles irgendwann einholt.
Das unsere Träume und Phantasie oft näher an der Realität sind, als wir denken.
Vor etwas zwei Jahren habe ich in meinem anderen Blog einen Traum gepostet
(über den ich mit ihm nicht geredt habe und mein Blog kennt er auch nicht):

Letzte Nacht machten sich Bilder breit. Keine Phantasien oder einer der typischen Halbschlaf-träume….

Nein, ein immerwährendes Bild, besser ein Film, etwas was sich zusammenspinnt und dann trotz geschlossener Augen so deutlich zu sehen ist. Und sich wiederholt und wiederholt…
Wir sitzen an einer großen, schweren Tafel. Genau gegenüber. Im „normalen“ Leben hätten dort riesige Kerzenleuchter, Weinkaraffen und Kristallgläser gestanden. Bei uns: nur der blanke Holztisch und ein Teller mit Gemüse und Fleischstückchen.

Ich bin nackt. Schrecklich nackt. Ganz nackt. Und ich kann vor lauter Scham und Tränen nichts essen.

Immer wieder unterbrichst du dein Essen und gehst die vielen Schritte bis zu meinem Platz. Deine Finger nehmen ein Stück Fleisch oder eine Bohne von meinem Teller und du drückst sie mir in den Mund. Erst wenn ich deine Finger wieder sauber geleckt habe, wanderte deine Hand zwischen meine Schenkel oder spielt mit meinen Brüsten.

Dieses Spiel wiederholt sich ein paar Mal, bis du irgendwann deine Serviette nimmst, dir den Mund abtupfst und wortlos den Raum verlässt.

Ich könnte schreien vor ungestillter Begierde, vor Wut, vor Lust, vor Scham…

Und ich weiß nicht, ob ich dich wiedersehe und wo ich überhaupt bin…

3 Kommentare:

  1. Ein sehr aufregendes Erlebnis. Ich habe beim Lesen fast den Eindruck es ist grade erst passiert, so lebendig beschreibst Du dieses Abenteuer .

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    1. Nein, es ist tatsächlich schon länger her.
      Das Aktuelle ist, dass mich gerade so viele Dinge "einholen"...

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  2. Ein schöner Text. Hast du wirklich toll geschrieben.

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